Brachionus plicatilis - ein Rädertierchen für die Massenkultur

Brachionus plicatilis gehört zur Gruppe der Rädertierchen, wissenschaftlich Rotatoria (=Rotifera). Mit etwa 2000 bekannten Arten stellen die Rädertierchen eine recht große Tiergruppe dar. Die verschiedenen Rädertierchenarten werden zwischen 0,1 und 2 mm groß und sind damit die kleinsten vielzelligen Tiere. Die überwiegende Anzahl der Arten (ca. 90%) kommt im Süßwasser vor, nur verhältnismäßig wenige Arten leben im Brack- und Meerwasser.

Eignung von Brachionus plicatilis als Fischnährtier

Brachionus plicatilis wird schon lange als Fischnährtier bei der Aufzucht von Fischlarven eingesetzt, weil diese Art einfach zu vermehren ist und sich für die Massenkultur eignet. Die Weibchen erreichen eine Gesamtlänge von bis zu 340 µm, Männchen und Jungtiere sind etwa 150-200 µm groß. Damit sind sie deutlich kleiner als die 400-500 µm großen Artemianauplien.

Die Rädertierchen werden immer dann als Futtertiere eingesetzt, wenn Artemianauplien für die Fischlarven zu groß sind. Für einige Fischlarven sind allerdings auch Rädertierchen noch zu groß. Der Nährwert der Rädertierchen ist schlechter als der von Artemianauplien, weshalb eine Anreicherung vor der Verfütterung empfohlen wird.

Brachionus plicatilis, Weibchen mit Eiern

Bei Brachionus plicatilis handelt es sich um eine Salzwasserart, jedoch sind sie euryhalin (salztolerant), denn sie überleben bei Salzkonzentrationen zwischen 1 ‰ und 97 ‰. Der optimale Salzgehalt liegt bei 35 ‰. Beim Einsatz als Futtertiere muß man jedoch trotz der hohen Salztoleranz beachten, daß sie beim direkten Umsetzen nur eine Schwankung des Salzgehaltes von +/- 5 ‰ vertragen. Ist das Konzentrationsgefälle größer, dann sterben viele Exemplare innerhalb kürzester Zeit ab. Bei Jungfischen, die sich gleich auf die Nahrung „stürzen“, können sie trotzdem als Futtertiere eingesetzt werden. Bei sehr kleinen planktonischen Fischlarven, wie z.B. vielen Grundellarven, ist es aber zwingend erforderlich, daß die Futterorganismen noch längere Zeit im Aufzuchtbehälter überleben und kontinuierlich zur Verfügung stehen. Brachionus plicatilis eignen sich daher insbesondere für Brack- und Meerwasserfische als Futtertiere.

Kultur von Brachionus plicatilis

Ich kultiviere Brachionus plicatilis in kleinen Aquarien mit etwa 25 Liter Meerwasser  (Salzanteil 20-35 ‰). Eine leichte, grobperlige Belüftung sorgt für eine langsame Wasserbewegung und einen Sauerstoffeintrag. Als Beleuchtung dient eine Leuchtstofflampe. Das Aquarium wird nicht beheizt, die Temperatur liegt bei 18-22 °C. Rädertierchen reagieren empfindlich auf stärkere Schwankungen der Temperatur.

Die Rädertierchen werden ein- bis zweimal täglich von mir gefüttert. Als Futter eignen sich insbesondere lebende, einzellige Algen, wobei man zur Erhöhung des Nährwertes der Rädertierchen verschiedene Algenarten einsetzen sollte. Häufig wird Bäckerhefe als Futter für die Rädertierchen genannt. Es ist möglich Bäckerhefe als Zusatzfutter einzusetzen, jedoch ist sie als Alleinfutter nicht ideal. Ein gutes Kunstfutter für die Kultur von Brachionus plicatilis ist „INVE S.parkle“. Dieses Produkt wurde von der Firma INVE für den professionellen Einsatz in der Aquakultur entwickelt. Die Futtermenge richtet sich vor allem danach, welche Individuendichte in der Kultur enthalten ist bzw. angestrebt wird. Grundsätzlich sollte man immer nur so viel füttern, wie innerhalb von 24 Stunden gefressen wird.

Verfüttern der Rädertierchen

Vor dem Verfüttern der Rädertierchen an die Fischlarven sollten sie vom Kulturmedium getrennt werden. Das Kulturmedium kann sehr stark belastet sein, z.B. mit Nitrat, Nitrit, Phosphat und mit anderen Stoffwechselprodukten von Rädertierchen und Bakterien. Diese Stoffe sollten nicht in den Aufzuchtbehälter gelangen, da sie die Fischlarven schädigen können. Die Trennung der Rädertierchen vom Kulturmedium kann mit einem Sieb der Maschenweite 50 µm durchgeführt werden.

Anreicherung

Für eine gesunde Entwicklung benötigen Jungfische zahlreiche Nährstoffe. Neben Proteinen (Eiweißen) spielen dabei essentielle Fettsäuren eine wichtige Rolle, vor allem die hochgradig ungesättigten Fettsäuren (HUFA= Highly Unsatturated Fatty Acid).

Hier sind die Omega-3 Fettsäuren DHA (Docosahexaenoic Acid) und EPA (Eicosapentaenoic Acid) besonders hervorzuheben. Bei vielen Fischarten ist bekannt, daß DHA und EPA nicht von den Larven synthetisiert werden können, sondern über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Dies ist vor allem von vielen marinen Fischen bekannt und wahrscheinlich auch bei vielen Süßwasserfischen von Bedeutung. Dabei kann das benötigte Verhältnis DHA/EPA von Fischart zu Fischart unterschiedlich sein.

Wenn man nun den HUFA-Gehalt von Fischnährtieren vor der Verfütterung gezielt erhöht, so spricht man von Anreicherung. Hierzu eignen sich besonders gut lebende, einzellige Algen, weil diese über einen hohen Gehalt an DHA und EPA verfügen. Jede Algenart hat ein spezifisches DHA/EPA-Verhältnis, weshalb man nicht nur eine Algenart, sondern eine Mischung verschiedener Algenarten verwenden sollte. Dies ist natürlich mit einem hohen Aufwand verbunden. Es gibt jedoch auch künstliche Anreicherungsprodukte, z:B. die Selco-Produkte der Firma INVE.

Literatur

Grabe, L. (1992): Die Zucht von Zoo- und Phytoplankton – Teil 1. DATZ, Jg. 45, Seite 311-315.

Grabe, L. (1992): Die Zucht von Zoo- und Phytoplankton – Teil 2. DATZ, Jg. 45, Seite 451-453.

Lavens, P; Sorgeloos, P. (1996): Manual on the production and use of live food for aquaculture. FAO Fisheries Technical Paper. No. 361. Rome, FAO. 295p.

Taxacher, M. & Fischer, C. (2011): Rädertierchen – ein wertvolles Aufzuchtfutter. Amazonas, Jg. 7 (4), Heft-Nr. 36: 64-69.

Theilacker, G.H. & McMaster, M.F. (1971): Mass culture of the rotifer Brachionus plicatilis and its evaluation as a food for larval anchovies. International Journal on Life in Oceans and Coastal Waters, Vol. 10(2): 183-188.